„Baum fällt“ – Die Saison 2022 am „Fenster in die Erdgeschichte“

 

In der Saison 2022 hat sich der Anblick des Grabungsfeldes maßgeblich geändert. Das Gestein unter dem großen Cordaiten-Baumstamm, der seit Beginn der Grabung im Jahr 2014 zu bestaunen war, drohte instabil zu werden. Daher musste das XXL-Fossil noch in diesem Jahr entnommen und gesichert werden. Daraus ergab sich allerdings die Möglichkeit, endlich die Gesteine und Fossilien unter dem Stamm zu untersuchen. Auch technische Neuerungen blieben in diesem Jahr nicht aus. Neben dem mittlerweile etablierten 3D-Modell des Grabungsfeldes begann unser Team damit, exakte virtuelle Abbilder der gefundenen Fossilien zu erstellen. Die im Jahr 2021 erprobte Methode der Entnahmen von Gesteinsplatten wurde in dieser Saison im größeren Maßstab vorgeführt. All diese Arbeitsschritte und Lernprozesse wurden auch 2022, wie schon in den Jahren zuvor, von vielen fleißigen Praktikanten und Praktikantinnen begleitet.

 

… ach ja, der erste vollständigere, tierische Körperfund vom Sonnenberg ist uns in diesem Jahr womöglich auch geglückt!

 

Der sicherlich größte Aufwand in diesem Jahr war es, den sechs Meter langen und mehrere hundert Kilogramm schweren Cordaiten-Stamm aus dem hintersten und zugleich tiefsten Bereich des Abbaufeldes zu bergen. Dazu benötigte es die geballte Grabungserfahrung des Teams und viele verschiedene Versuche, von denen einige besser und andere schlechter funktionierten. Schlussendlich entschieden wir uns dafür, einzelne Segmente des Stammes mithilfe spezieller Klebstoffe zu stabilisieren und anschließend in händelbaren Abschnitten zu bergen. Die natürlichen, tektonisch bedingten Risse und Spalten, welche den Stamm durchzogen, kamen uns dabei sehr zugute. So brauchten wir nirgends sägen, schleifen und bohren, und das Fossil blieb während der gesamten Arbeiten unbeschädigt.

 

Um ganz sicher zu gehen, dass im Zuge der Stamm-Bergung keine wichtigen Daten verloren gehen, versuchten wir uns in der Fotogrammetrie. Bei dieser Technik werden mittels spezieller Software aus dutzenden Fotos sehr genaue, virtuelle 3D-Modelle der fotografierten Objekte errechnet (Abb. 1). Also schossen wir, bevor wir mit der Bergung begannen, ca. 250 Fotos des Cordaiten-Stammes – mit Erfolg! Nun ist nicht nur das Fossil in Sicherheit und bereit, im Labor genauer untersucht zu werden, sondern wir haben auch ein exaktes, dreidimensionales Abbild des liegenden Stammes, welches wir jederzeit von allen Seiten betrachten können … nur eben virtuell (Abb. 2 + 3). Das Modell für unseren zweiten Versuch war im Übrigen der nun weiter freigelegte, versteinerte Waldboden. Auch von ihm gibt es nun ein virtuelles Modell.

 

 

Auch dieses Jahr begleiteten fünf Praktikanten und Praktikantinnen aus unterschiedlichen Interessengebieten die Grabung, erlernten unseren Grabungsprozess und steuerten neue Blickweisen und nicht zuletzt viel Fleiß bei. Neben den Geowissenschafts-Studenten und Studentinnen Liza, Cara und Jannes verbrachten auch Präparator-Lehrling Robin und Archäologie-Studentin Julia vier Wochen am „Fenster in die Erdgeschichte“.

 

Obwohl unser Hauptaugenmerk auf dem großen Cordaiten-Stamm lag, wurde im Jahr 2022 natürlich auch eine Vielzahl anderer Fossilien gefunden. Unserem Freiwilligen Aaron gelang der Fund eines ca. 30 cm langen und vollständigen Cordaitenblattes. Wenn man bedenkt, dass am Sonnenberg bisher fast nur Fragmente dieser Blätter gefunden wurden, ist dieses Fossil umso wertvoller. Eine enorme Menge nadelförmiger Blattfossilien sind womöglich Zeugnisse von Dicranophyllum. Das wäre für die Fossillagerstätte des Versteinerten Waldes von Chemnitz ein Novum. Gleich zu Beginn der Grabungssaison fand Sebastian ein recht unscheinbares Fossil. Erst unter dem Mikroskop war zu erkennen, dass dieses Stück eine gewisse Ähnlichkeit mit rezenten Hundertfüßern hat. Sollte sich in den künftigen Untersuchungen herausstellen, dass es sich hierbei tatsächlich um ein kleines Tierchen gehandelt hat, wäre es das erste tierische Fossil der Grabung am Sonnenberg. Alles in allem sind uns also auch 2022 einige spannende und wissenschaftlich relevante Entdeckungen gelungen.

 

Und apropos Tierfossil, ein Fund aus der Hilbersdorfer Grabung hat es in diesem Jahr ins Rampenlicht geschafft: Chemnitzion richteri!

 

Das kleine Amphib aus Hilbersdorf lockte in diesem Jahr zahlreiche Besucher und Besucherinnen während der Museumsnacht, am Tag des Geotops und auch zu unserem neuen Halloween-Event auf das Grabungsgelände. Dabei haben wir uns sehr über den regen Austausch mit unseren Mitbürgern aus und um Chemnitz und das große Interesse an unserer Grabung gefreut. Zwar konnten wir bis jetzt noch keinen Artgenossen von Chemnitzion am Sonnenberg finden, aber was nicht ist, kann ja noch werden … vielleicht schon 2023!

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0